Briefwahl in Österreich ist ein relativ neues Wahlinstrument, das als Teil des im Jahre 2007 beschlossenen Wahlpakets eingeführt wurde. Noch 18 Jahre früher galt die Briefwahl in Österreich als verfassungswidrig. In einer Anfragebeantwortung vom 28.12.1998 durch den Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (SPÖ), eingebracht vom Abgeordneten Walter Murauer (ÖVP), betreffend Einführung der Briefwahl „Verankerung der Briefwahl“, vertrat der damalige Bundeskanzler Klima die Position des Verfassungsgerichtshofes vom Jahre 1985: „Der Verfassungsgerichtshof ist in seinem ,,Briefwahlerkenntnis” vom verfassungsrechtlichen Gebot der physischen Anwesenheit der Wählerinnen und Wähler vor der Wahlbehörde ausgegangen und hat daher eine Briefwahl für verfassungswidrig gehalten.“ Bundeskanzler Klima (SPÖ) erachtete also „die persönliche Stimmabgabe für erforderlich“ und sah „in den Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern eine politisch zentrale Handlung jeder Wählerin und jedes Wählers und in der persönlichen Stimmabgabe ein Mittel, das die Wichtigkeit dieser Handlung unmittelbar ins Bewußtsein bringt.“ Drei Jahre nach Einführung der Briefwahl (kurz vor Wiener Gemeinderatswahl 2010) äußerten die Grünen ihre Sorge ,dass es mit den Briefwahlkarten zu massiven Betrügereien kommen könnte. Martin Margulies (Grüne) meinte hinsichtlich seiner dementen Großmutter „dass für alle Patienten des Geriatriezentrums von der Anstaltsleitung Wahlkarten beantragt wurden - ohne Wissen der Patienten und Angehörigen“ – (Wienerzeitung: „Grüne befürchten massiven Betrug bei Briefwahl“). Die ersten österreichischen Wahlen mit Briefwahlkarten endeten mit einem erschütternden Ergebnis: das Ausmaß der Fälschungen überstieg alle Erwartungen. „…die Kritik und Manipulationsvorwürfe bezüglich der Briefwahl reißen nicht ab.“ - schrieb die Wiener Zeitung zwei Tage nach den Wahlen . Laut dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, sei Briefwahl „sehr missbrauchsanfällig“ (ORF vom 05.12.2010) Auch der FPÖ – Bundesparteiobmann HC Strache erachtet die Briefwahl für „missbrauchs- und manipulationsanfällig“. Eine ähnliche Position vertritt der österreichische Verfassungsexperte, Theo Öhlinger. Die Briefwahl hält er für „problematisch“: „Man steigert damit die Wahlbeteiligung um einen Preis, der es nicht wirklich wert ist“ – äußerte der Wissenschaftler im Jahre 2015 (nach Wiener Gemeinderatswahl) gegenüber der österreichischen Zeitschrift „Profil“. Ende September 2016 forderte FPÖ - Obmann H.C. Strache eine Briefwahlreform, die in Zusammenarbeit mit Generalsekretär Herbert Kickl und dem ehemaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer entwickelt wurde und legte die Eckpunkte zur Briefwahlreform vor: „1. Österreicher, die im Ausland leben oder sich am Wahltag im Ausland aufhalten, sollen weiterhin per Briefwahl wählen können. 2. Es soll vor dem Wahltag mehrere Vorwahltage geben (werktags und am Wochenende). 3. Alle Österreicher, die sich am Wahltag nicht an ihrem Wohnort aufhalten, sollen mittels einer Wahlkarte wählen und diese in jedem Wahllokal Österreichs abgeben können. 4. Für Kranke und Pflegebedürftige soll es wieder eine mobile Wahlkommission geben, damit deren persönliches und geheimes Wahlrecht gesichert ist. 5. Es soll ein zentrales Wählerregister eingeführt werden. 6. Die Auszählung aller Stimmen und Wahlkarten soll sofort nach Schließung der Wahllokale erfolgen.“ Auch der bekannte österreichische Verfassungsjurist DDr.Heinz Mayer gehört zu den überzeugten Gegner einer Briefwahl: „Ich bin gegen die Briefwahl im Inland. Der Gang zur Urne ist wohl jedem zumutbar. Und für Bettlägrige gibt es mobile Wahlkommissionen.“ (Profil: „Briefwahl-Reformen angedacht“) Die Zeit für eine Reform der Briefwahl ist schon längst reif. Die Frage ist, ob auch die Regierung bereits die Reife besitzt, eine Briefwahlreform durchzuführen? |
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